Welche Relevanz hat das Werk von Georg Simmel, der mit seinem Aufsatz Die Großstädte und das Geistesleben (1903) den Anstoß für eine sozial- und kulturwissenschaftliche Stadtforschung gegeben hat, für die heutige Stadtforschung? Dieser Frage gehen die Autorinnen und Autoren des jüngst erschienenen Sammelbands nach.
Die Bedeutung Simmels für die aktuelle Stadtforschung lässt sich auf verschiedene Weisen erkunden, welche sich auch in der Aufteilung des Buches widerspiegeln: Offensichtlich spielt Simmel eine Rolle für die gegenwärtige Metropolenforschung, d.h. die Forschung zu den besonderen Städten, den heutigen Weltstädten, die sich durch Kreativität oder wirtschaftliche Macht auszeichnen. Auch wird Simmels Werk mit der Forschung über Segregation und der Abbildung der sozialen Frage in der Stadt verbunden.
Dabei stellt sich heraus, dass Simmels Beschreibungen als Anregung für die heutigen Debatten um Gentrification interpretiert werden können. Auch lässt sich Simmel auf die modernen Segregationsanalysen beziehen – z.B. wird im Buch dargelegt, dass seine Sichtweisen nach wie vor für die theoretische Betrachtung der Stadt als soziales Gebilde wertvoll sind. In dem Sammelband nehmen auch Beiträge aus dem Bereich der Architektur auf das Werk Simmels Bezug: So wird unter anderem aus Simmels Werk eine implizite Architektursoziologie gelesen und, in einem weiteren Beitrag, wird das Spannungsverhältnis zwischen Transformation und Erhaltung im Umgang mit dem architektonischen Kulturerbe und die damit verbundenen Herausforderungen im Rückgriff auf Georg Simmels Erläuterungen zur Kultur theoretisch aufgezeigt.
An der Vielfältigkeit der Beiträge zeigt sich so auch das bis heute fortbestehende interdisziplinäre Potenzial in Simmels Werk. Simmel war eben ein Vieldenker.
Das Buch ist das Ergebnis des interdisziplinären Symposiums „Simmel und die Stadt“, welches anlässlich seines 150. Geburtstages im November 2008 am Georg-Simmel-Zentrum für Metropolenforschung (HU) in Berlin stattgefunden hat, um die aktuelle Stadtforschung im Geiste Simmels zu reflektieren. Als Fazit des Symposiums wie auch des Buchs kann behauptet werden, dass Simmels Überlegungen auf erstaunliche Weise modern geblieben sind.
Mieg, Harald A.; Sundsboe, Astrid O.; Bieniok, Majken (Hrsg.): Georg Simmel und die aktuelle Stadtforschung, VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2011, 297 S.
ISBN: 978-3-531-17034-3
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